C H R I S T I A N R O H L F S
wurde vor 150 Jahren geboren. Wenn man
seinen Beitrag zur Klassischen Moderne, zum Deutschen Expressionismus
und die lichtdurchfluteten Werke seiner letzten Schaffensphase aus Ascona
betrachtet, ist dies kaum glaubhaft. Fast alle anderen Maler seiner Generation
blieben der traditionellen Malerei des 19. Jahrhunderts verhaftet oder
wurden Impressionisten. Für sein Gesamtwerk aus 6 Jahrzehnten ist
charakteristisch, daß Rohlfs niemals bei dem bisher erreichten verharrte,
er sich niemals mit noch so gelungenen Ergebnissen zufrieden gab. Mit
jeder neuen Arbeit versuchte er etwas neues zu gestalten, einen neuen
Aspekt, einen neuen Klang zu verwirklichen. Viele seiner kleineren Arbeiten
verraten diese Unruhe und sind dennoch eingebunden in einen ruhigen Schaffensstrom,
eine ganz konsequente Weiterführung seiner Bestrebungen bis hin zum
Endpunkt einer in sich ruhenden Einheit von Form und Farbe. Er benutzt
den eigentlichen Gegenstand - die Blume, die Landschaft, die Figur - nur
noch als Anlaß, als Bezugspunkt. Obwohl Christian Rohlfs, soweit
ich weiß, niemals gegenstandslose oder konstruktive Werke geschaffen
hat, empfinde ich viele seiner Arbeiten, vornehmlich aus den letzten 20
Jahren, stärker als geistige Kunst, als manche von Kreisen,
Dreiecken oder sonstigen realen Formen erfüllten Werke der klassischen
gegenstandslosen Kunst. Die Kunstform des Informellen nahm
er schon in den 20er und 30er Jahren vorweg, wenngleich er sie in die
Form von Landschaften und Blumen hineinlegte, sie in den Hintergründen
und Strukturen seiner Bilder verwirklichte.
Wie ich schon vor 30 Jahren im Vorwort
des Kataloges unserer Rohlfs-Ausstellung zu seinem 120. Geburtstag schrieb,
wird seine Kunst den Künstlern im 21. Jahrhundert vermutlich mehr
Anregungen bieten als zahlreiches aus der Kunst der Gegenwart, das so
modern, weil gegenstandslos, erscheint. Das ausufernd Laute, Gigantische
und grob Gewaltige, das heute die Kunstszene beherrscht und die Museen
der Gegenwartskunst in Fabrik-und Bahnhofshallen ausweichen läßt,
weil die normalmenschlichen Dimensionen nicht mehr ausreichen, wird wohl
dann zu einem sehr großen Teil als langweilig, aufgebläht,
epigonal und geistlos erkannt werden. Dann aber werden die bescheidenen,
unaufdringlichen, jedoch von sublimer Geistigkeit erfüllten Werke
von Christian Rohlfs nicht zu übersehen sein und als zeitlos bleibende
Schöpfungen überdauern.
Florian Karsch, 1999
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