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Stille Poesie der Alltagswelt
August Wilhelm Dressler und sein Beitrag zur "Neuen Sachlichkeit"
 
Als Vertreter der deutschen Kunst in der Weimarer Republik ist August Wilhelm Dressler in Ausstellungen und Publikationen bis heute unterrepräsentiert. Das liegt zum einen an der konsequenten Bewahrung seiner figürlichen Malerei im gesamten Werkschaffen, das abseits aller stilistischen Moden nicht auf kurzweilige Effekte, sondern auf stille Beharrlichkeit zielt. Zum anderen ist Dresslers Wesen stets bescheiden und introvertiert gewesen, das persönliches Engagement im Kunstbetrieb meidet und deshalb lange Zeit keinem Galeristen auffällt. Zudem fehlt sein Name in der von Gustav F. Hartlaub 1925 initiierten programmatischen Mannheimer Ausstellung "Die Neue Sachlichkeit". Dabei werden seine Arbeiten in Ausstellungen der Novembergruppe, der Juryfreien Kunstschau, der Berliner Sezession und der großen Berliner Kunstausstellung durchaus gezeigt und auch in der zeitgenössischen Kunstkritik erwähnt. So bezeichnet ihn Max Osborn 1927 als "einen der besten und redlichsten der Neurealisten" und so beschreibt Max Schwimmer ihn noch 1931 als den "Natürlichsten im Kreis der Sachlichkeitsfanatiker". Zu diesem Zeitpunkt  lebt Dressler mit Unterstützung von Max Liebermann als Stipendiat der Villa Massimo in Rom, wo er sich der italienischen Malerei der Renaissance zuwendet, die sein Bekenntnis zur figürlichen Malerei bestätigt. Max Liebermann ist es auch gewesen, der in seiner Eigenschaft als Präsident der Preußischen Akademie der Künste Dresslers Gemälde "Maler und Modell" (1927) für einen Staatspreis vorgeschlagen hat. Mit einem ganzfigurigen Bildnis vor Staffelei erinnert der prämierte Künstler 1928 an seinen Förderer als Grandseigneur des Berliner Kunstlebens.
 
Der aus dem böhmischen Bergesgrün stammende Dressler lernt ab 1906 an der Dresdener Akademie bei Richard Müller solide sein technisches Handwerk, der zum Leidwesen der aufstrebenden Dresdener Avantgarde im frühen 20. Jahrhundert noch eine traditionelle Ausbildung in altmeisterlichem Stil pflegt, die für Dresslers Malerei und Grafik richtungsweisend werden soll. Hinzu tritt eine freundschaftliche Verbindung zu Otto Dix, der gemeinsam mit Dressler in Dresden niederländische und deutsche Altmeister-Werke in Lasurtechnik kühl realistisch kopiert. Beide signieren ihre Werke in altdeutscher Manier mit einem ligierten Monogramm. Es mag auch der Einfluss von Dix gewesen sein, dass Dresslers Interesse ab den 1920er Jahren vor allem auf dem Menschen in seiner sozialen Determination liegt. So dominiert in seiner Ikonographie die Welt der so genannten kleinen Leute in der Weimarer Republik, die er ohne verklärenden Schimmer und verfälschende Romantik schildert. Neben einfachen Bürgern mit Kindern sind es auch die alten, zumeist abgehärmten, verkümmerten Menschen, die Dressler in Innenräume mit spärlichem Inventar stellt. Es ist der Winkel bescheidener Existenzen in kahler Stube, in der sich eine melancholische Stimmung in stiller, herber Schönheit verdichtet. In diese Bilder wird mitunter ein bisschen Tod hineingemalt, als ob ein Neugeborenes alsbald der herbstlich verblühenden Natur anheim fallen wird.
 
Dresslers inniges Mitgefühl mit allem Kreatürlichen äußert sich in einem völlig unprätentiösen Stil, der die äußere Form als innere Ästhetik spiegelt. Ernst und streng mutet sein Bildaufbau in den allgemein bekannten Werken der 1920er Jahre an. Die puppenhaften Figuren drängen sich in beengten Räumen. Dieser Eindruck entsteht durch die Unmittelbarkeit der Szene, die in Nah- und Aufsicht gering perspektivisch verkürzt erscheint. Asketisch blutarm wirkt die Eintönigkeit der Farbe des Innenraumes. Sparsam geht Dressler auch mit seiner Farbpalette um, wenn er die Figuren in stumpfen, weichen und abgestuften Tonwerten mit wenigen Aufhellungen malt, was zur Entstofflichung der Gegenstände führt, die die Welt noch stärker anorganisch macht. Die Lichtführung wirkt zuweilen inszeniert, auch wenn sie empirischen Gesetzen folgt.
 
Blickt man freilich auf die in der Galerie Nierendorf ausgebreiteten Gemälde des Künstlers, dann bietet uns Dressler ein vielschichtigeres und breit gefächertes Werk, wenn ein mit zahlreichen Requisiten ausgestatteter Toilettentisch oder ein üppiger Blumenstrauß sich als Stillleben Raum schaffen. Nicht mit dem Blick eines vorlauten Schaulustigen, sondern eines feinfühligen Diagnostikers schildert Dressler das private Leben einer bürgerlichen Kleinfamilie, die intimen Schmink- und Frisurszenen vor neubarockem Spiegel oder der freizügige Akt in prostituierender Pose. Die alltägliche Szene des Tuchladens erstarrt zu einem merkantilen Zwiegespräch, während im Hutsalon die Extravaganzen eitler Damen charakterisiert sind. Im Porträt konzentriert sich Dressler auf das Wesentliche in der Physiognomie und in der psychosozialen Beziehung seines Modells.
Die bleichen Gesichter haben trotz aller Emotionen mitunter etwas Maskenhaftes. Und in der üppigen Vegetation der farbig satten Landschaften im Wechselspiel von Licht und Schatten droht der Mensch zu versinken, während in den herbstlich gestimmten Naturszenen das lianenförmige Geäst der lodernden Bäume eine für Dressler untypische Dynamik offenbart. Magisch realistisch mutet gar die Naturszene an, wenn große Mühlen die dörfliche Idylle stören. Und schließlich dokumentiert der 1930 nach Rom ausschwärmende Künstler mit panoramaartigen Reportagen die Architekturgeschichte der Ewigen Stadt.
 
Während der Hitlerdiktatur wird Dressler Opfer der Nazi-Machenschaften, die ihn in die Isolation treiben. Nachdem seine als "sozialkritische Tendenzmalerei" missverstandene Kunst 1937 als "entartet" verfemt wird, entlässt man ihn ein Jahr später in Berlin aus dem Lehramt der Vereinigten Staatschulen. Nach 1945 malt der innere Emigrant im Krieg verloren gegangene Bilder nach Fotografien neu und datiert sie in die 1920er Jahre zurück. Sein historischer Beitrag zur "Neuen Sachlichkeit" ist ihm wichtig. Seine bewusste Abgrenzung zu den informellen und abstrakten Entwicklungen der Moderne führt ihn in eine zweite Isolation des bürgerlich naturromantischen Realismus, der sich vor allem in seinen Landschaften niederschlägt. Zu seinen Sujets gesellen sich auch Randgruppen der Gesellschaft wie Gaukler, Artisten und Balletteusen, die mit stereotypen Gesten in einer fremden Welt verharren. Beziehungslose Paare im leeren Wirtshaus oder in einer ausgestorbenen Stadtlandschaft demonstrieren einmal mehr, dass sich Dressler auch im Spätwerk der Anonymität des Menschen in seiner kargen Sozialisation treu bleibt.
 
Regensburg im März 2007                                                        Gerhard Leistner

 

 

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